Forschungsprojekt RESILIENT

Leipziger Fraunhofer-Institut erforscht Krisenresilienz sächsischer Unternehmen

Presseinformation | Leipzig /

Die Covid-19-Krise führt seit 21 Monaten zu starker Verunsicherung in der Wirtschaft und zu teils existenziellen Herausforderungen für Unternehmen. In Zeiten der Post-Pandemie sollten Unternehmen schnell und effektiv auf technologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hier setzt das vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) geförderte Forschungsprojekt »RESILIENT – Resilienz durch Innovation im sächsischen produzierenden Gewerbe« des Fraunhofer-Zentrums für Internationales Management und Wissensökonomie IMW an. Das Ziel: Sächsische Unternehmen widerstandsfähiger gegenüber zukünftigen Krisen zu machen und den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen aus Innovationen zu fördern.

Das Fraunhofer IMW führt im Forschungsprojekt »RESILIENT – Resilienz durch Innovation im sächsischen produzierenden Gewerbe« Pilotprojekte gemeinsam mit sächsischen Unternehmen verschiedener Branchen durch, um deren Resilienz zu messen und zu erhöhen. Die Themen der Pilotprojekte richten sich nach den konkreten individuellen Bedarfen der sächsischen Unternehmen. Im Austausch mit den Unternehmen identifizieren die Fraunhofer-Forschenden die jeweiligen Herausforderungen und Weiterentwicklungspotenziale im Kontext der Krisenerfahrungen der Covid-19-Pandemie.
Darauf aufbauend erarbeiten und erproben sie innovative Lösungen für eine wettbewerbsfähigere und gleichzeitig resilientere Wertschöpfung. »Die SARS-CoV-2-Pandemie unterscheidet von anderen Wirtschaftskrisen, dass sie sich auf Unternehmen unterschiedlich auswirkt. Nach zehn Jahren Wachstum ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 um 4,9 Prozent gegenüber 2019 gefallen. In Sachsen ergibt sich mit Blick auf konkrete Unternehmensbeispiele ein differenziertes Bild der Auswirkungen der Corona-Krise auf Unternehmen«, erklärte der Institutsleiter des Fraunhofer IMW und Professor für Innovationsmanagement und Innovationsökonomik an der Universität Leipzig, Thorsten Posselt zur Ausgangslage für das Forschungsvorhaben »RESILIENT«.

Die aus der Krise heraus im Juni 2020 eröffnete Bosch Chipfabrik in Dresden produziert angesichts der hohen Chipnachfrage auf Hochtouren. Der Leipziger Bike-Sharing Anbieter nextbike konnte sein Geschäft in der Covid-19-Pandemie weiter ausbauen. Obwohl weniger Pendler auf den Straßen unterwegs waren, stieg die Zahl der Nutzenden um 50 Prozent. Durch den Camping-Boom zählt der Wohnmobil-Hersteller Capron aus Neustadt ebenfalls zu den Gewinnenden der Krise. Stark getroffen war hingegen die sächsische Industrie, insbesondere der Maschinenbau (Umsatzrückgang von 19 Prozent), Teile des Einzelhandels (z. B. Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren: Umsatzrückgang von 22 Prozent) oder das Gastgewerbe (Umsatzrückgang von über 30 Prozent), von dem z. B. sächsische Brauereien abhängig sind. Relativ unbeeinflusst von der aktuellen Krise blieb hingegen das sächsische Bauhauptgewerbe. Selbst hier gibt es innerhalb der Branchen Unterschiede.

Das sozio- und technoökonomische Institut der Fraunhofer-Gesellschaft in Leipzig unterstützt die Unternehmen z. B. dabei, Geschäftsmodelle zu modernisieren, neue, digitale Dienstleistungen zu entwickeln oder Vertriebskanäle zu erweitern. Ein Schwerpunkt liegt darauf, Potenziale digitaler Technologien und verfügbare Daten zu nutzen. »Wir arbeiten gemeinsam mit den Unternehmen an deren konkreten Problemstellungen. Wichtig ist uns, dass die Ergebnisse übertragbar sind und so auch für andere Unternehmen einen Nutzen zur Erhöhung der Resilienz stiften. Diese Impulse können die Zusammenarbeit fördern und dazu beitragen, sächsische Unternehmen über Branchengrenzen hinweg zu verzahnen«, betont Prof. Dr. Heiko Gebauer, Leiter des Projekts Data Mining und Wertschöpfung am Fraunhofer IMW.

Die andauernde Covid-19-Krise wirkt sich weiter aus, jedoch sind viele sächsische Unternehmen bereits mit neuen Krisen konfrontiert, wie der Halbleiterkrise oder der Lieferkrise durch den Mangel an LKW-Fahrenden. Sächsische Unternehmen werden auch zukünftig immer wieder mit wirtschaftlichen Problemsituationen konfrontiert sein. »Aus wissenschaftlicher Perspektive wollen wir verstehen, wie Unternehmen mit der aktuellen Pandemie umgehen und wie sie diese Krise bewältigen. Ziel ist es, daraus fundierte Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, wie Unternehmen sich resilienter gegenüber zukünftigen Krisen aufstellen können«, erläutert Dr. Marija Radić, Leiterin der Abteilung Unternehmensentwicklung im internationalen Wettbewerb am Fraunhofer IMW.

Die Fraunhofer-Expertinnen und Experten forschen, im durch den Freistaat Sachsen mit 900 000 € geförderten und von September 2020 bis Dezember 2022 laufenden Projekt »RESILIENT«, an ausgewählten Pilotprojekten mit einem breiten Spektrum an Fragestellungen, um die unterschiedlichen Facetten der Krisenbewältigungsstrategien zu beleuchten.

  • Der Museums- und Ausstellungsbauer SEIWO Technik sieht sich durch die pandemiebedingte Schließung von Museen und Ausstellungen und die unsichere Auftragslage vor existenzielle Herausforderungen gestellt. Um Umsatzeinbußen auszugleichen, reagierte das Unternehmen aus Drebach bereits vor dem ersten Lockdown 2020 mit der Konzeption eines innovativen modularen Raumsystems mit UVC-Strahlung und Luftfiltern zur Virenbeseitigung, das z. B. in Behörden und Kliniken zum Einsatz kommt. Im gemeinsamen Pilotprojekt unterstützt das Fraunhofer IMW SEIWO dabei, das Geschäft mit dem Protect.Cube über eine »as-a-Service«-Strategie weiter auszubauen und neue Kundengruppen zu erschließen.
  • Der Spezialist für Kunstleder und technische Beschichtungen Vowalon Beschichtung sucht, aufgrund der mit der Corona-Pandemie insbesondere aus der Automobilindustrie wegbrechenden Aufträge, nach Wegen, um die ausbleibenden Umsätze durch neue Angebote zu kompensieren. Gemeinsam mit dem Fraunhofer IMW identifiziert das Familienunternehmen aus Treuen weitere Wachstumspotenziale für VOWAbag, der Geschäftssparte mit selbstproduzierten Taschen. Zielkundschaft nehmen diese individuell anpassbaren Produkte jedoch aufgrund ausgefallener Messen noch unzureichend wahr. Im Rahmen des Pilotprojekts wird daher eine wirksame Marken- und Vertriebsstrategie mit Direct-to-Customer-Ansatz (D2C) entwickelt.
  • Der Chemnitzer Werkzeug- und Maschinenhändler Werkzeug-Eylert, für dessen Geschäftsmodell Messen von enormer Bedeutung sind, um Produkte zu bewerben und Kunden vom Mehrwert zu überzeugen, suchte nach coronakonformen Alternativen für die seit über zwanzig Jahren stattfindende Eylmesse. Im gemeinsamen Pilotprojekt analysierten die Forschenden des Fraunhofer IMW geeignete digitale Tools und Medien, um Angebote auf der traditionsreichen Messe virtuell erlebbar zu machen und vor Ort neue Kundenerfahrungen zu ermöglichen. Ergebnis ist ein hybrides Konzept für die Eylmesse, das sowohl in Präsenz als auch virtuell mehr Kundennähe erreicht und Produkte durch multisensorisches Marketing besser vermittelt.

Ihre Ansprechpartner:

Fraunhofer IMW
Neumarkt 9-19, 04109 Leipzig

Dr. Marija Radic

Abteilungsleiterin Unternehmensentwicklung im internationalen Wettbewerb
Telefon +49 341 231039-124
E-Mail: marija.radic@imw.fraunhofer.de

Prof. Dr. Heiko Gebauer

Projektleiter Data Mining und Wertschöpfung
Telefon +49 341 231039-163
E-Mail: heiko.gebauer@imw.fraunhofer.de

 

Kommunikation                                 
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Das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW entwickelt wissenschaftlich fundierte Lösungen für die Herausforderungen der Globalisierung. Unternehmen und Regionen profitieren von Potenzialanalysen, der Konzeption, Finanzierung und Umsetzung von internationalen Projekten und Netzwerkaktivitäten, der Analyse und Optimierung von Geschäftsmodellen, Technologieökonomik und -management, Regionaler Transformation und Innovationspolitik, Digitale Wertschöpfung bis hin zum Wissens- und Technologietransfer. Seit seiner Gründung im Jahr 2006 hat sich das Fraunhofer-Zentrum in Leipzig inhaltlich und strukturell stark weiterentwickelt. Mit einem international aufgestellten Team von 236 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 14 verschiedenen Nationen erforscht das Leipziger Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie, bis 1.7.2015 Fraunhofer-Zentrum für Mittel- und Osteuropa MOEZ, die Internationalisierung von Wirtschaft und Forschung. Mit digitaler Infrastruktur und der wirtschaftswissenschaftlichen Expertise des Instituts unterstützt das Fraunhofer-Zentrum Kunden bei ihrem Weg in die Digitalisierung der eigenen Prozesse und Geschäftsmodelle. Das internationale und interdisziplinäre Forschendenteam am Leipziger Fraunhofer-Zentrum bündelt seine wirtschafts-, sozial-, politik- und kulturwissenschaftliche Kompetenz, um Fragen zu Unternehmensentwicklung im internationalen Wettbewerb, Strukturwandel, Regionaler Transformation, Technologieökonomik und Wissens- und Technologietransfer zu erforschen und zu beantworten.